Im Stadttheater haben nun die Handwerker die Hauptrolle
Umfangreiche Sanierungsarbeiten sind Anfang April gestartet – Stadt investiert rund 9,7 Millionen Euro
Minden. Schon seit rund zwei Jahren steht im Online-Kalender von Stadtkämmerer Norbert Kresse am 4. April 2022, dass an diesem Tag die Bauarbeiten im Stadttheater Minden beginnen. Damit will Kresse vor allem deutlich machen, wie lange die Stadt Minden schon auf diesen Tag und den folgenden Zeitraum der Sanierungsarbeiten hingearbeitet hat. Die monatelange Schließung eines Theaters, das in der Saison von September bis Mitte Juni prall gefüllt mit Veranstaltungen ist, musste akribisch geplant werden. Das unterstreicht auch Theaterleiterin Andrea Krauledat bei einem Ortstermin Ende der vergangenen Woche.
Unmittelbar vor der Umbaupause am Samstag, 2. April, schloss sich zum vorerst letzten Mal im Saal der rote Vorhang – für das Gastspiel „Pasta e Basta“ der Hamburger Kammerspiele. Der Samtvorhang und auch alle anderen Elemente, die von oben auf die Bühne schweben, werden mit so genannten Handkonterzügen bedient, die nun Geschichte sind. Sie werden jetzt durch moderne Technik und digitale Steuerungen ersetzt. Die „alten Schätzchen“ müssten eigentlich ins Museum, meint der Leiter der städtischen Gebäudewirtschaft, Jörn Schunk. Die Konterzüge zu bedienen, erforderte stets erhöhten Personal- und Koordinationsaufwand und sei nicht einmal mehr Teil der aktuellen Ausbildung der Fachkraft für Veranstaltungstechnik, ergänzt Andrea Krauledat. Einige Produktionen seien deswegen dafür nicht zulässig und bislang gar nicht umsetzbar gewesen.
Die Theaterleiterin und ihr Team freuen sich schon jetzt auf die moderne Bühnentechnik, die einen größeren Posten der Gesamtkosten für die Sanierung in Höhe von kalkulierten 9,7 Millionen Euro ausmacht. Stadtkämmerer Kresse, der auch für die Gebäudewirtschaft verantwortlich ist, hofft, dass die Summe ausreicht. 90 Prozent der Leistungen seien bereits ausgeschrieben. Kresse hält aber Nachforderungen für wahrscheinlich, weil im Bereich Gebäudetechnik und auch beim Material – wie beim Stahl – die Preise gestiegen seien. Bauen im Bestand berge immer Risiken. Um bei eventuellen Mehrkosten nicht einen längeren politischen Entscheidungsprozess in Gang setzen zu müssen, stehe ein bereits beschlossener Puffer in Höhe von 600.000 Euro im laufenden Haushalt zur Verfügung, berichtet der Stadtkämmerer.
In dem Maßnahmenpakt, dass die Gebäudewirtschaft mit Unterstützung des Unternehmens Skena aus Heidelberg geschnürt hat, stehen neben technischen Erneuerungen und einer Verbesserung der Akustik im Orchestergraben auch zahlreiche Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen, der Austausch von Elektrik im Keller, die Modernisierung der Besuchertoiletten, Malerarbeiten im Saal sowie die Verlegung der Regie vom 3. Rang in den hinteren Saalbereich und auch die Verlegung der Kasse in die Mitte des Foyers. „Vieles ist für künftige Besucher*innen unsichtbar“, macht Diplom-Ingenieur Schunk deutlich. Ein Beispiel dafür sei die aufwändige Sanierung der Lüftung.
Was kaum jemand weiß: Unter jedem Besucherplatz im Saal des Theaters befindet sich eine Zuluftleitung, durch die erwärmte Luft in den Raum geleitet wird. Eine Ausrüstung der Anlage mit Brandschutzklappen für jeden einzelnen Luftauslass würde sehr hohe Kosten verursachen. Darum wird nun unter die bestehende Decke im Keller eine so genannte Druckdecke als neue Brandschutzebene eingebaut. „Die Zuluft wird künftig in den Zwischenraum geführt und von dort dann in den Saal“, erläutert der Leiter der Gebäudewirtschaft weiter. Da das 1908 erbaute Theater – wie der Rathauskomplex – an die Fernwärme angeschlossen ist, muss im Weiteren nur die Übergabestation und nicht die gesamte Heizungsanlage erneuert werden.
Außen ist das Gebäude seit Anfang April komplett von einem Bauzaun umgeben. Dafür musste eine Spur des Klausenwalls und auch eine Spur an der Domstraße eingezogen werden. Rundherum stehen Container für das benötigte Material. Die Arbeiten drinnen müssen zwingend nach Plan laufen und die beauftragten Gewerke ineinandergreifen, so Jörn Schunk. Sonst könne es Verzögerungen geben.
Der Zeitrahmen ist eng. Theaterleiterin Andrea Krauledat ist – ob des guten Starts und der zügig laufenden Arbeiten – zuversichtlich, dass spätestens Ende November 2022 das Theatercafé wieder für Weihnachtsprogramme, Lesungen, Kabarett und vieles mehr genutzt werden kann. Fest eingeplant ist im neuen Programm 22/23 das Neujahrskonzert der Nordwestdeutschen Philharmonie am 7. Januar 2023. Da muss auch auf der großen Bühne wieder alles fertig sein.
„Nach einer sanierungsbedingten kürzeren Spielzeit 2022/23, die aber schon jetzt mit außergewöhnlichen Highlights wie zum Beispiel mit Ulrich Tukur & Band geplant ist, konzentrieren wir uns auf die Saison 2023/24. Dann gibt es erneut ein gewohnt umfangreiches Programm und endlich wieder alle zwölf Abo-Reihen für die rund 5.300 Abonnentin*en“, kündigt die Theaterleiterin an.
„Diese Abonnements wurden nach zwei harten Corona–Jahren bereits schmerzlich vermisst“, so Krauledat weiter. Im Sommer 2022 könne sich das Publikum aber auf Open Air-Veranstaltungen des Theaters freuen, wie „Kabarett unter Dampf“ ab 10. Juni 2022 und die „Kulturpromenade an der Weser“ vom 18. bis 21. August. Der Start in die Saison 2023/24 beginnt dann gleich im September 2023 mit einem „fulminanten“ Höhepunkt: Es wird mit dem „Parsifal“ wieder eine in Eigenregie produzierte Wagner-Oper – in Zusammenarbeit mit dem Wagner-Verband Minden und der Nordwestdeutschen Philharmonie – geben.
Die Sanierung des Theaters ist mit einem berechneten Volumen von 9,73 Millionen Euro Ende 2020 politisch beschlossen worden – unabhängig von einer möglichen Förderung vom Bund, die es dann doch nicht geben konnte, weil die Planungen zu weit fortgeschritten waren. Die Mittel für die Maßnahmen im Theater sind in den Haushalten 2020 und 2021 (Planungen/Ausschreibungen) eingestellt und die Umsetzung im Haushalt für das Jahr 2022 eingestellt.
Im Januar 2020 ist nach der europaweiten Ausschreibung die Skena Planungsgesellschaft (Heidelberg) mit der Objektplanung beauftragt worden. Am 1. Juli 2020 wurde die Vorplanung abgenommen. Parallel zum Planungsprozess wurden die politischen Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung regelmäßig über das Projekt und seine finanzielle Tragweite informiert. Bereits in den Jahren 2008 und 2012 hat es umfangreiche Arbeiten im Theater – unter anderem zur Verbesserung des Brandschutzes gegeben. Nach dem Abschluss der jetzigen Arbeiten kann die Brandwache der Feuerwehr wieder auf das ursprüngliche Maß von zwei Feuerwehrleuten pro Vorstellung zurückgefahren werden.