Die Theaterfrau – Andrea Krauledat, Intendantin des Stadttheaters Minden
Die Theaterfrau – Andrea Krauledat, Intendantin des Stadttheaters Minden
Intendantin klingt beeindruckend. Aber es beschreibt nicht annähernd die Frau, die mir gegenüber sitzt. Gebündelte Energie, Lebensfreude, Engagement, Humor, Fröhlichkeit, Disziplin, Leidenschaft, Familiensinn, Chefin, Kulturfan,… Theaterfrau. Und sie ist auch das Gesicht und die Stimme des Stadttheaters in Minden. Jedes Mal, wenn ich bislang im Theater mit einigen Theaterbegeisterten ins Gespräch gekommen bin, wurde mir von IHR vorgeschwärmt. „Kennen Sie schon unsere neue junge Intendantin?“ Die habe Schwung und tolle Ideen auf die Bühne gebracht. Die wahren Fans sitzen im Publikum und die vielen ausverkauften Vorstellungen und Abonnenten zeigen, dass die „neue“ Intendantin ein gutes Gespür für die Bühne hat.
„Neu“ und „jung“, da muss Andrea Krauledat selbst lachen. Das muss sie übrigens öfter im Gespräch und sie versprüht dabei gute Laune und eine Energie, dass klar wird, warum man in Minden zurecht stolz auf ihre Arbeit und ihr Engagement ist. Viel fragen muss ich für das Interview dabei gar nicht, ich höre einfach zu…
Ein paar Eckdaten..
Geboren in Villingen-Schwenningen (also gar nicht Minden) betrat sie zum ersten Mal im Alter von 4 Jahren das Theater – mit 14 Jahren verfällt sie dem Theater, damals in Nürnberg, dann ganz. „Wie es euch gefällt“ die Verwechslungsgeschichte von William Shakespeare wurde gegeben. Und nachdem sie 26 (in Worten: sechsundzwanzig) Mal die Vorstellung besucht hatte, war klar: ICH MUSS WAS MIT THEATER MACHEN.
Die Begeisterung für die Bühne ist bis heute ungebrochen. So ein Gefühl lässt sich schwer in Worte fassen, aber ihr Leitspruch ist:
„Wenn junge Leute etwas finden, was sie bewegt, dann können sie alles erreichen.“
Andrea Krauledat
Danach…
Sechs Jahre nach dem einschneidenden Erlebnis im Theater und nach dem Abitur, Studium der Theaterwissenschaften, Philosophie und Germanistik, nach Tätigkeiten u.a. beim Bayrischen Rundfunk, am Residenz-Theater München, am Gostner Hoftheater Nürnberg u.v.m. als Technikerin, Soffleuse, Schauspielerin, Assistentin, Workshop-Leiterin (..) wurde sie Regieassistentin mit Spielverpflichtung am Staatstheater Nürnberg. Sie war dort längst keine Unbekannte mehr, sondern hospitierte und arbeitete während des Studiums bereits am Theater. Nun also Regieassistentin.
Dabei durfte sie nicht nur den großen Regisseur*innen (u.a. Karasek, Bilabel,Utzerath, Ritzel) assistieren, sondern auch selbst Regie führen. Die Spielverpflichtung, also das Auftreten in Stücken, war Teil ihres Vertrags und für sie rückblickend auch sehr wichtig. Jeder Regisseur sollte ihrer Meinung nach selbst einmal als Darsteller*in auf der Bühne stehen. Die Theaterliebe zeigte bei Andrea Krauledat auch ungewöhnliche Symptome. Sie erzählt:
„Wenn eine Produktion nach der Premiere beendet war, wurde ich krank. Sobald es wieder mit den Proben von einem neuen Theaterstück anfing, war ich sofort wieder gesund.“
Theaterfrau Andrea Krauledat
Danach wechselte sie für 18 erfolgreiche Jahre ans städtische Theater im Schnoor in Bremen,Eine auf der Schreibmaschine geschriebene Kurzbewerbung machte sie mit 24 Jahren zur jüngsten Intendantin am städtischen Packhaus – Theater. Ein kleineres Haus mit 160 – 200 Plätzen, in dem sie viele Ideen und auch Eigenproduktionen umsetzen konnte. In Bremen wurden auch ihre vier Kinder geboren, von denen die Älteste auch im Genre, allerdings Film, tätig ist. Sie studiert an der Filmhochschule in Babelsberg. Die jüngste Tochter ist als Nachwuchs-Schauspielerin schon u. a. im TATORT, Soko Köln zu sehen gewesen und arbeitet auch als Synchron-Sprecherin.
Insgesamt 18 Jahre blieb sie dem Haus in Bremen treu, dann wurde es Zeit für etwas Neues. Ein Angebot der Konzertdirektion Landgraf in Titisee kam gerade recht, als man dort jemanden im Management suchte. In den 2 1/2 Jahren ihrer Tätigkeit lernte sie so die „andere Seite“ des Theaters kennen. Mit einem riesigen Angebot von Theaterproduktionen des EURO – Studio Landgraf, von Opern, Musicals und internationalen Tanzproduktionen im Gepäck verkaufte sie deutschlandweit Gastspiele an Theater.
So lernte sie die bundesweite Theaterlandschaft genauestens kennen. Und in Minden suchte man einen neuen Intendanten*in. Das war 2010. 87 Bewerbungen auf diese mehr als interessante Stelle lagen vor, eine davon war ihre. „Ich kann es ja mal versuchen“, dachte sie. Unter die letzten drei Bewerber zu gelangen sei schon eine Auszeichnung gewesen. Am Ende wurde sie einstimmig gewählt. Etwas, was sie heute noch zurecht stolz macht. Und was sich im Nachhinein als Glücksgriff für das Stadttheater und die Stadt Minden herausgestellt hat.
Nächstes Jahr feiert sie bereits 10jähriges Jubiläum. Zusammen mit der Theaterpädagogin Viola Schneider.
Was sie ausmacht…
Sie hat einiges auf den Weg gebracht. Die Zusammenarbeit mit den Schulen liegt ihr sehr am Herzen. Die Begeisterung und auch die Disziplin, die so wichtig sind für ein Stück, zeigt sich bei den Schülern. Kinder für Theater zu begeistern, dass ist es, was sie möchte. Deshalb ist es umso schöner, dass es in Minden Kinder- und Jugendtheater nach Altersgruppen gestaffelt gibt. Für jedes Alter die passenden Stücke. Wer einmal in einer Vorstellung war, sieht, wie begeistert die Kids dabei sind und wie gut diese Stücke angenommen werden. Wichtig ist ihr dabei auch, die Schulen einzubeziehen. So geht Kultur!
An sich selbst hat sie zudem den Anspruch, möglichst bei jeder Vorstellung dabei zu sein, auch ins Gespräch zu kommen mit den Zuschauern, Meinungen einfangen und sich auszutauschen. Und Zuschauer für neue Stücke oder andere Aufführungen zu begeistern oder zumindest zu interessieren. Die hohen Abozahlen sprechen für sich. Dazu nahezu durchgehend ausverkaufte Sondervorstellungen. Mit den unterschiedlichen Angeboten von Schauspiel, Konzert, Kabarett und Tanz bis zur Volksbühne und Opern erfüllt das Stadttheater Minden jeden Wunsch eines Theaterfans.
Doch… Wie entsteht das Programm?
Während Sie vielleicht schon das aktuelle Theaterprogramm in den Händen halten, ist das Team von Mitarbeitern mit Andrea Krauledat längst dabei, die Spielzeiten 20/21 und 21/22 zu planen. Ihre jahrelange Erfahrung auf und hinter der Bühne hat ihr Gespür für gute Stücke geschult. Gleichzeitig möchte sie auch das Publikum etwas herausfordern mit besonderen Stücken und neuen Interpretationen. Auch so kann Kultur sein. Deshalb gibt es in den Abos nie nur eine Art von Theater. Es ist immer eine Mischung.
Qualität ist das wichtigste Kriterium. Den Zuschauer unterhalten, etwas bieten, aber auch zeigen, wenn es etwas Neues gibt, dass ist die Herausforderung. Dafür erhält sie dann als Feedback von den Zuschauern, dass diese sich niemals so ein Stück ausgesucht hätten, wäre es nicht im Abo gewesen, nun aber restlos begeistert sind. Darauf setzt sie.
Wichtig ist eine gewisse Neugier, sich auf etwas einlassen und sich und den Geist öffnen für Stücke, die auch anders sein dürfen. Tragik, Schmerz, Düsternis, auch so kann Theater sein. Genau wie ein humorvolles französisches Stück oder eine perfekt vorgetragene Oper.
Theatergeschichten….
Was auf der Bühne in Minden schon alles aufgeführt wurde, welche Namen schon in den Garderoben zu Gast waren ist – für eine eher kleine Stadt und ein überschaubares Theater – beachtlich. Große Namen wie Katharina Thalbach, Anna Maria Mühe, Erika Pluhar, Katja Weitzenböck, Peter Simonischeck, Walter Sittler, Timothy Peach, Hardy Krüger jun., Heiner Lauterbach, Dominique Horwitz, Jürgen Prochnow, Philipp Hochmair und viele andere sind sehr gern in Minden zu Gast. Manche fragen sogar extra an, wann es endlich ein Wiedersehen in Minden gibt.. Ein Kompliment für jedes Theater.
Und dann gibt es so schöne Geschichten aus dem Nähkästchen, aber sie nennt leider keine Namen. Wobei doch, eine Dame muss erwähnt werden: Katja Riemann. Die wirklich erfolgreiche deutsche Schauspielerin („Der bewegte Mann“ oder „Fack Ju Göthe“) gilt im Feuilleton oftmals als „schwierig“. Andrea Krauledat kann das nicht bestätigen, ganz im Gegenteil, sehr herzlich sei sie, absolut professionell und diszipliniert, und überaus freundlich zu allen Mitarbeitern am Theater. Und da zeigt sich dann auch die eigentliche „Größe“ eines Künstlers: Höflich und bescheiden aufzutreten, jedem Gegenüber, von der Garderobenfrau über den Techniker bis hin zur Intendanz. Das macht den wahren Menschen aus.
Das Theaterprogramm wird also an langer Hand vorbereitet und geplant. Ohne das Team drumherum wäre so eine Arbeit gar nicht möglich. Und auch da stimmt die „Chemie“. Theater muss man lieben, dass ist schon mal eine gute Voraussetzung für so einen Beruf. Beruf gleich Berufung trifft es auch. Und dafür „brennen“ die Mitarbeiter. Überhaupt herrscht, wenn man das so formulieren darf, eine kreative Spannung, wenn man das Gebäude betritt und bei einem Rundgang hinter den Kulissen bin ich überrascht, wie viel Technik sich verbirgt und wie viele Gänge man entlang schreiten muss, um überhaupt zur Bühne zu kommen.
Dort probt gerade das Orchester für den „Ring des Nibelungen„. Auch so ein „Wagnis“, dass das Stadttheater in Zusammenarbeit mit der Nordwestdeutschen Philharmonie und dem Richard-Wagner- Verband Minden eingegangen ist. Wagner nach Minden? So ein Großprojekt? Und siehe da, jetzt ist „Minden“ mit „Wagner“ in aller Munde. Von allen großen Theatern blickt man interessiert hierher und weltweit reisen Wagnerianer an, um in Minden, der beschaulichen Stadt an der Weser, dieses Opernepos zu erleben.
Neu ist auch das Theatergold – Dort haben ältere Mitbürger die Gelegenheit, mit Gleichgesinnten ausgewählte Theaterstücke inklusive eines Rahmenprogramms zu genießen. Die Idee dahinter ist, auch Alleinstehenden die Möglichkeit zur Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen zu geben. Langfristig können daraus neue Bekanntschaften entstehen, so dass man über das Abo hinaus immer jemanden hat, der einen ins Theater oder zu ähnlichen Events, begleitet.
Auch für die Kinder und Jugendlichen wird im Stadttheater Minden viel geboten. Nicht nur, dass es Kooperationen mit den Schulen gibt und man gemeinsame Projekte auf die Bühne bringt. Es gibt auch ein auf jede Altersstufe angepasstes Programm, damit sich die älteren Kids nicht mit Stücken langweilen, für die sie einfach schon zu weit im Denken sind. Die Jüngeren ans Theater heranführen, das Stadttheater Minden zeigt wie es gehen kann. Für Jugendliche und junge Erwachsene holt Andrea Krauledat ebenfalls neue Ideen auf die Bühne. Sie selbst weiß ja aus eigener Erfahrung, wie ein spannendes Stück einem die Tür zur Kultur öffnen kann. Deshalb freut es sie auch, wenn sie Schulveranstaltungen anbietet, bei denen die Schulen den durchgenommenen Stoff als Theaterstück auf der Bühne sozusagen „vor der Haustür“ erleben können. Das Angebot macht sie auch den Schulen im näheren Umkreis. Warum nach Hannover oder noch weiter fahren, wenn in Minden so ein tolles Theater ist?
Dass in Minden jedoch nicht nur Schauspiel auf die Bühne kommt, ahnt man, wenn man das umfangreiche Theaterprogramm in den Händen hält. Von A wie Audivision über M wie Musical bis hin zu Z wie zauberschönes Volkstheater gibt es eine kulturelle Vielfalt. Sicherlich empfehlenswert ist es, sich ein Abo zuzulegen, denn oftmals sind die besten Stücke schon ausgebucht. Es ist auch jedes Mal ein großer Menschenauflauf, wenn die Tickets zur neuen Saison Anfang September verkauft werden. Sowohl am Stadttheater selbst, als auch im Ticketshop stehen Fans geduldig an. Belohnt werden sie nicht nur mit Karten, sondern auch mit Getränken, denn Andrea Krauledat fährt mit einem Bollerwagen an den Wartenden vorbei und verteilt Getränke und erfährt so auch schon, wer sich für welche Stücke interessiert.
Überhaupt ist der Austausch mit Zuschauern wichtig. Manchmal kann man in einem Gespräch auch Fragen zum Stück klären. Um neue oder aufwändige Produktionen zu erklären, gibt es oftmals vor der Aufführung eine Einführung, die findet direkt vorher statt und sorgt dafür, dass auch neue Theaterbesucher sich mit dem Inhalt des Stücks vertraut machen können. Derart gut informiert kann man dem Handlungsstrang viel besser folgen.
Was es alles gibt…
Frage ich nach Highlights kommt Andrea Krauledat aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Fast täglich kann man in der Spielzeit ins Theater gehen und so blättern wir beide interessiert durch das Programm. Die Kindervorstellungen sind leider meistens zuerst ausgebucht. Wer einmal dabei war, ist schnell beim Kartenvorverkauf. Trotzdem gibt es immer noch die Möglichkeit, für Stehplätze oder falls Karten nicht abgeholt werden. Nachfragen kann man sowieso immer, so Krauledat.
Wer alles bequem per PC erledigen möchte, kann dies auf der gut gestalteten Homepage des Stadttheater Minden (Sie finden die Verlinkung auf der rechten Seite auf Scarlett-Magazin.de) gern tun. Dort findet man auch Näheres zu den einzelnen Events.
Gibt es auch Stücke, die sie als Zuschauer sieht und denkt: „Das könnte man aber anders machen?“ „Na klar, immer mal wieder“, sagt sie, denn sie hat bei den besten Regisseuren lernen dürfen, natürlich entwickelt man ein Auge für eine Aufführung. Letztendlich ist es aber dem Regisseur überlassen, wie er ein Stück auf die Bühne bringt und auch da kann man erst im Nachhinein sagen, ob die Entscheidung richtig war oder nicht.
Souffleuse
Gibt es heute durchaus. Manche Schauspieler benötigen so etwas, einfach zur eigenen Sicherheit. Sie müssen gar nicht auf diese Hilfe zurückgreifen, es reicht allein das Wissen, dass man könnte, so man denn wollte. Platziert wird so jemand gern in der Seitenloge oder in der ersten Reihe. Ein Stichwortgeber, der genau aufpassen muss, wann ihn der Blick des Schauspielers trifft und praktisch erahnen muss: Schaut er jetzt konzentriert oder wartet er auf das Stichwort? So hat jeder auf und hinter der Bühne seinen Platz und jeder ist auf seine Art so wichtig, damit ein Stück für den Zuschauer locker über die Bühne gehen kann.
Und wie geht es weiter….
10 Jahre Jubiläum, dass muss 2020 gefeiert werden. Und die Frage steht im Raum: Gibt es noch Wünsche oder Ziele? Eigentlich hat Andrea Krauledat „nur“ die Stationen wie u. a. Nürnberg, Bremen, Titisee-Neustadt und Minden in ihrer Vita stehen. Locken große Theater? Soll es nochmals woandershin gehen? Anfragen gibt es natürlich. Derzeit sei das aber kein Thema. Die Familie ist hier gut integriert, als Mutter muss man das schon im Auge haben. Außerdem gibt es noch einiges, was hier am Stadttheater stattfinden soll, also eine immer noch abwechslungsreiche und spannende Tätigkeit. Und ihr gefällt Minden – die Stadt, die Menschen, aber natürlich insbesondere das Theater und das großartige Team. Aber sonst? Wer weiß, was in zehn oder zwanzig Jahren ist, so weit plant sie nicht. Jetzt ist es gut, genauso wie es ist. Und in diesem Jahr steht „Der Ring-Zyklus“ schon mal sehr im Fokus. Bis Ende des Jahres gibt es viele tolle Veranstaltungen und dann muss das Jubiläum nächstes Jahr ja auch noch groß gefeiert werden.
Wir sehen uns… im Stadttheater Minden!